Die zunehmende Zersplitterung unserer Gesellschaft hinterlässt Spuren. Was tun Sie dagegen?
Ein gesellschaftlicher Trend durch die Corona-Pandemie schneller vorangetrieben als jeder andere:
Die wachsende Abtrennung von Menschen in Gruppen oder Einheiten, die völlig unterschiedliche Realitäten erleben.
Bereits vor Corona wurde durch Gruppenbildung auf sozialen Netzwerken wie Facebook oder Instagramm, bzw. in Nachrichten-Apps wie WhatsApp, Telegram oder Twitter die Zersplitterung unserer Gesellschaft erhöht.
Auch die Whistleblowerin Frances Haugen wirft Facebook vor, sogar zu Kriegen, wie in Myanmar und aktuell Äthiopien, durch Schüren von Hass und Konflikt beizutragen.
Früher gemeinschaftliche Informationsquellen wie öffentlich-rechtliche oder große private Sendeanstalten werden zunehmend ersetzt durch themen- bzw. meinungsorientierte Nachrichten-Gruppen. Die Informationsquellen sind hier oft undurchsichtig oder irrelevant. Persönliche Meinungsäußerungen bis hin zu Lügen werden als „Informationen“ oder „Nachrichten“ verkleidet.
Anstelle von wahren Debatten und wirklichen Diskussionen mit Andersdenkenden, posten Menschen oberflächliche Kommentare und emotionale Reaktionen in ihren „Echokammern“.
Ganz bewusst werden intensive Emotionen durch Posts hervorgerufen: Weil polemisierende, reißerische und hetzerische Äußerungen diese verursachen, sorgen dann die Algorithmen der Social-Media-Plattformen für ihre rasende Verbreitung.
Nun sind noch soziale Distanzierung, Home-Office und das Erleiden der größten Konsequenzen der Pandemie durch nur einige Bevölkerungsgruppen und Wirtschaftszweige hinzugekommen:
Besonders Bewohner*innen von Altenheimen, Alleinstehende, Vorerkrankte oder anders durch den Virus besonders Gefährdete erleiden die größte Vereinsamung in Momenten, wenn Kontakte zu anderen am wichtigsten sind.
Kranken- und Pflegepersonal kündigt aktuell in großer Anzahl, weil es nicht noch einen „Corona-Winter“ durchstehen kann oder will. Auch auf die Logistikbranche kommt ein zweiter, erschöpfender Winter mit noch mehr Internetkäufen als in diesem ganzen Jahr zu.
Und nach einem so gut wie ausgefallenem ersten Halbjahr, steuern die Tourismus- und Veranstaltungsbranchen, Gastronomie, Kunst, Kultur und betriebliche Fortbildungen auf eine weitere harte Durststrecke bis zum nächsten Frühjahr zu.
Solo-Selbstständige, Kleinst- und Kleinunternehmen – sowie generell die finanziell Schwächsten unserer Gesellschaft – erleiden weiterhin massive Einkommensverluste und die Gefährdung ihrer Existenz.
Zur selben Zeit machen insbesondere Amazon und andere Internet-Einkaufsplattformen, Tech-Firmen für Online-Zusammenarbeit sowie Hersteller in der Gesundheitsbranche so große Gewinne wie noch nie. Große Teile der Arbeitnehmer*innen arbeiten zwar von zuhause, erleiden jedoch keine finanziellen Verluste.
Je weniger Kontakt, desto geringer Verständnis und Mitgefühl
Es gibt genug Studien, die beweisen, dass der Grad der Empathie mit der steigenden Distanz zu den Betroffenen sinkt. D. h. je weniger Kontakt wir zu denen haben, die Leid erfahren, denen etwas zugeschrieben wird aufgrund ihrer Herkunft, ihres Aussehens o. ä. (Immigranten, Flüchtlinge, Frauen…), desto geringer wird auch unsere Empathie mit ihnen. Parallel geben wir unseren eigenen Problemen oder wahrgenommenen Einschränkungen größere Bedeutung: Es erleben doch „alle“ um uns herum (also in unseren „Echokammern“) dasselbe!
Es ist an der Zeit, sich einige Fragen zu stellen – insbesondere, wenn Sie Führungskraft sind:
Wodurch grenze ich mich selbst ab: Woher beziehe ich meine Informationen, mit welchen Menschen tausche ich mich aus oder diskutiere ich noch?
Wie stelle ich Verbindung her und zeige Empathie: Wen kann ich kontaktieren, der oder die es von selbst in diesen Umständen nicht (mehr) kann, wie fülle ich meine Beziehungen zu anderen gerade jetzt mit Leben und lasse mich auf sie ein?
Was tue ich für die Menschen in meinem Umfeld – für die ich mitverantwortlich bin: Wo nehme ich Ab- und Ausgrenzung Einzelner oder von Gruppen wahr? Wie kann ich das verhindern oder Kontakt zwischen diesen Gruppen herstellen? Wie ermögliche ich mehr Verständnis und Perspektivwechsel zwischen den Menschen?
Nutzen wir also die Zeit der Feiertage und der kalten Jahreszeit, um durch konkrete Taten wieder mehr Wärme in unsere Gesellschaft zu bringen!